Leh - Ladakh
Um nach Leh zu gelangen, traten wir unsere Reise auf dem Manali-Leh-"Highway" an, was für uns zu einem unvergesslichen Abenteuer werden sollte. Die Route führt auf atemberaubenden Straßen über drei 5000-Meter-Pässe an entsprechend tiefen Abgründen entlang. Über diese Fahrt, haben wir im Vorfeld schon viel gehört und gelesen. Viele schwärmen von der einmaligen Landschaft, die man auf der Fahrt bestaunen kann, jedoch werden auch Horror-Geschichten von Busunfällen aufgrund der gefährlichen Streckenführung, oder von der Höhenkrankheit, die bei Fehlverhalten lebensgefährlich sein kann, erzählt. Wenn man dann noch den Fahrstil der meisten indischen Busfahrer kennt, kann einem schon mal mulmig werden.
Für die lange Fahrt von Manali nach Leh, boten sich uns folgende Möglichkeiten:
1) der weniger komfortable lokale Bus, der die Strecke auf zwei Tage aufteilt und für eine Übernachtung in Keylong hält.
2) ein für die Umstände komfortabler Touristen Jeep mit 14 Sitzplätzen, der die Strecke ebenfalls in zwei Tagen mit Stopp in Keylong bewältigt.
3) ein komfortabler Touristen Jeep mit 14 Sitzplätzen, der durchfährt und für die Strecke durchschnittlich 18 Stunden benötigt.
Wir kauften ein Ticket für die 3. Variante mit Direktfahrt, was sich im nachhinein auch als die richtige Entscheidung herausgestellt hat.
Um etwa 2:00 Uhr Morgens, startete unser Jeep auf die lange Reise gen Norden (500 km). Als wir den Fahrer sahen, der äußerlich wie etwa 17 Jahre wirkte, fragten wir uns ob das gut gehen würde, wenn man den Schwierigkeitsgrad der Strecke bedenkt. Als nächstes stieg auch noch eine buddhistische Nonne in den Bus ein, die anfing für uns alle zu beten. Wenn man schon so viele Geschichten über diesen Trip gehört hat, neigt man dazu ein bisschen nervös zu werden und auf jede Kleinigkeit zu achten. Doch es sollte alles gut werden. Es stellte sich heraus, dass der Fahrer doch schon ganze 21 Jahre alt war. Nach den ersten 50 Kilometern wurde außerdem klar, dass wir einen äußerst guten und auf der Strecke erfahrenden Fahrer erwischt hatten, der zudem einen für die Passagiere sehr angenehmen Fahrstil hatte. Wir konnten zeitweise sogar schlafen und wurden endlich einmal nicht hin und her geschleudert, oder von Vollbremsungen geweckt. Die wechselnde Szenerie, die man nach Sonnenaufgang zu sehen bekommt, lässt sich mit nichts was wir je gesehen haben vergleichen. Anfangs fuhren wir an bewaldeten Hängen entlang, die bis zum 4000 Meter hohen Rohtang Pass immer weiter ausdünnten. Der Rohtang Pass wirkt als Übergang zwischen den feuchten und fruchtbaren Ebenen Indiens und dem trockenen Norden bzw. Tibet. Gleichzeitig trennt der Pass das hinduistisch geprägte Kullutal von den höher gelegenen Tälern Spitis, Lahauls und Ladakhs, in denen sich durch ihre Abgeschiedenheit und den extremen Wetterbedingungen, die ursprüngliche tibetisch-buddhistische Kultur erhalten hat. Der Pass ist durch heftigen Schneefall nur wenige Monate im Jahr befahrbar, im Rest des Jahres ist der hohe Norden Indiens nur per Luft zu erreichen, was sich jedoch in naher Zukunft mit dem Bau eines gigantischen Tunnels ändern soll. Als wir den letzten größeren Ort - Keylong (3080 m) erreichten, legten wir eine Frühstückspause ein und wir konnten bei blauem Himmel und Sonnenschein die berauschende Bergkulisse genießen. Bei der Transportvariante über 2 Tage, wird hier übrigens übernachtet, doch wir fuhren nach der Pause natürlich direkt weiter. Es ging nun wieder steil bergauf bis zum ersten 5000-Pass. Auf der Höhe traten bei Alex bereits Kopfschmerzen und leichte Übelkeit auf. Wir hielten an einem Bach an, wo er sich mit dem kühlen Wasser etwas erfrischen konnte. Danach gab es noch eine Portion Zucker in Form von Cola und es ging ihm gleich wieder gut. Wir fuhren weiter entlang gewaltiger Schluchten, wobei es grundsätzlich fast keine Streckenbegrenzungen gibt. Nach zwei Stunden Fahrt machte der Jeep an einer Straßensperre Halt. Ein paar Straßenschäden mussten behoben werden, also machten wir das Beste daraus und genoßen den Ausblick auf die gold schimmernden Berge bei entspannter Musik und in Gesellschaft der anderen Fahrgäste. Im Bus lernten die zwei super coolen Österreicher Nikolai und Elisabeth kennen und hatten die Gelegenheit endlich auch mal wieder Deutsch zu sprechen. Zwei Stunden später wurde die Straße freigegeben und wir setzten die Reise fort.
Nach einer problemlosen Überquerung des zweiten 5000-Meter-Passes, gab es Mittagessen in Pang, das eigentlich ausschließlich aus Zelten besteht, welche die einzige menschliche Siedlung zwischen Keylong und dem Industal darstellen. Als wir jedoch nach der Malzeit weiterfuhren bekamen es viele im Bus mit Kopf- und Magenschmerzen sowie leichtem Schwindelgefühl zu tun. Der längere Aufenthalt auf 4600 Metern machte sich also gleich bemerkbar. Zum Glück waren die Fahrer auf alles vorbereitet und gaben Isabella eine Tablette gegen die Symptome der Höhenkrankheit.Wir setzten die außergewöhnliche Reise fort, fuhren vorbei an steilen Bergmassiven und erreichten den Taglung-La, mit 5360 Meter der höchste Pass unserer Reise und zugleich der zweithöchste befahrbare Pass der Erde. Diesmal traten keine größeren Probleme auf, denn solange man sich in Bewegung befindet, macht sich die Höhe körperlich weniger bemerkbar.
Anschließend brach die Dunkelheit herein und wir schafften es ein paar mal einzunicken. Als wir aufwachten, war Leh sozusagen zum greifen Nahe. Nach einer insgesamt 22 stündigen Fahrt, erreichten wir schließlich unseren Zielort - Leh mitten in der Nacht. Es gab um diese Zeit keine Transportmöglichkeit, um von der Bushaltestelle zu unserem Guest House zu kommen. Zum Glück konnten wir Tsetan - unseren Gastgeber erreichen, der dann seinen Vater losgeschickt hat, um uns abzuholen. Nikolai und Elisabeth entschlossen sich uns zu begleiten.
Als wir ankamen, wartete der Rest der Familie bereits auf uns. Die Mutter, die eine typisch mütterliche Wärme ausstrahlt, machte uns erst einmal frischen Tee, bevor wir völlig erschöpft von der langen Fahrt ins Bett fielen.
Die nächsten zwei Tage hörten wir auf unsere Körper und ließen es ruhig angehen, um uns angemessen zu akklimatisieren. Wir gerieten Anfangs schon beim normalen Gehen und Treppensteigen aus der Puste, erste Erkundungen der Stadt waren aber drin. Nichts fühlte sich mehr wie Indien an. Keine Menschenmassen und kein Verkehrschaos mehr und auch kaum indisch aussehnde Menschen. Die Menschen und die Architektur, umgeben von Bergen, erinnerten uns an Fotos aus Tibet.
Leh ist die Hauptstadt Ladakhs und hat 15000 Einwohner. Ladakh liegt völlig isoliert zwischen Pakistan und China und wird von drei der höchsten Bergketten der Welt umschlossen. Im Süden liegen die Himalayas, im Nordwesten stellt der Karakoram die Grenze zu Pakistan und Zentralasien dar, im Norden trennt die Kunlun-Kette Ladakh von China. Ladakh ist außerdem Teil des indischen Bundesstaates Jammu und Kashmir. Das ganze Gebiet ist weitgehend hochgebirgig und dünn besiedelt. Es ist bekannt für die Schönheit seiner entlegenen Berge und für die tibetisch-buddhistische Kultur. Daher wird Ladakh auch als Klein-Tibet bezeichnet.Im 19. Jahrhundert wurde Ladakh mit Kaschmir ein Teil Britisch-Indiens. Das Gebiet des Königreichs ist heute ein Teil von Indien und Pakistan, der Asai Chin-Distrikt wird von der Volksrepublik China kontrolliert. Es gibt in der Folge immer wieder Aufstände und generell Spannungen, vor allem im westlichen Bereich an der Grenze zu Pakistan, deshalb wird meistens von einer Reise in dieses Gebiet abgeraten.
Ein paar Tage nach uns, reiste auch Sam, den wir in Manali getroffen haben und der uns Tsetan's Guest House empfohlen hatte, an. Er erzählte uns begeistert von der Fahrt, die er alleine mit dem Motorrad bewältigt hat. Seine Leidenschaft für das Motorradfahren inspirierte uns erneut und gab den Anstoß uns ebenfalls eine Royal Enfield (die alte britische Marke ist eine Legende in Ladakh) zu mieten. Da Alex wenig bis gar keine Erfahrung mit diesen schweren Motorrädern hatte, bot Sam seine Hilfe an und zeigte ihm worauf es ankommt. Es lief sehr gut, denn nach etwa 15 bis 20 Minuten Probefahrt, fühlte sich Alex bereits sicher mit dem Bike. So machten wir gleich eine kleine Rundfahrt zur Tsemo Monastry, die sich genau oberhalb der Stadt und dem Palast befindet.
Nach unserem Abstecher zum Pangong Lake (siehe separaten Blogbericht), entschieden wir, mit einem sogenannten Baby-Trek weiterzumachen. Der Sham Valley Trek (3-4 Tage) erschien uns als geeigneter Anfang, um sich zunächst heranzutasten. Nikolai und Elisabeth waren ebenfalls dabei, sowie auch Scott und Emma aus Neuseeland, die wir im Guest House kennengelernt haben. Tsetans Vater fuhr uns zum Startpunkt des Treks, welcher sich etwa eine Autostunde von Leh befindet. Zwar ist der Sham-Trek dafür bekannt, dass man leicht verloren geht, doch würden wir die zahlreichen Warnungen unserer Vorgänger befolgen und es besser machen. Außerdem sind zwei unserer Freunde ja erfahrene Trekker. Soweit der Plan. Gekommen, ist es natürlich anders, indem wir uns komplett verirrten. Spätestens nachdem es irgendwann nur noch steil nach oben ging und wir uns auch schon auf einer Höhe von über 4000 Metern befanden, war uns klar, dass dies nicht der “Baby-Trek” sein konnte. Es ist wirklich nicht leicht auf diesem Trek nicht verloren zu gehen, zumal es unzählige Pfeile gibt, die einem über Stunden hinweg den falschen Weg weisen. Also entschlossen wir uns zurückzukehren und die Sache abzubrechen. Unsere Variante des Treks, hatte uns zumindest jede Menge schöne Landschaften geboten. Nach einem 8-Stunden Trek befanden wir uns wieder am Ausgangsort, wo wir feststellten, dass es dort weder Taxis oder Busse, noch Unterkünfte gab. Wir machten uns ob der bald einbrechenden Dunkelheit natürlich Sorgen. Also trekkten wir noch eine halbe Stunde weiter bis zu einem Highway. Zu unserem Glück, konnten wir einen LKW anhalten, der uns netterweise alle Sechs mitgenommen hat. Zu unserem Erstaunen, fanden wir alle problemlos Platz in der Fahrerkabine und die abenteuerliche Fahrt hob die Stimmung wieder deutlich an - wer kann schon von sich sagen, dass er zusammen mit fünf anderen verirrten Trekkern in einem waschechten indischen LKW mitgefahren ist?
Ab einer Mautstelle kurz vor Leh, mussten wir dann jedoch eine neue Mitfahrgelegenheit finden und wir beschloßen uns zu trennen, um jeweils schneller ein Auto zu finden. Es dauerte nicht lange und ein kleiner Militärjeep bot sich an. Unsere vier Freunde sollten bald folgen. Wir benötigten anschließend noch weitere zwei Autos, bis wir endlich wieder bei unserem Guest House waren. Es war mittlerweile dunkel. Wir trauten unseren Augen nicht, als wir alle gleichzeitig ankamen - wir, Scott und Emma jeweils mit einem Auto, Nikolai und Elisabeth zu dritt mit dem Fahrer auf einem Motorrad.
Nach dem Trek(versuch), stand ein Ruhetag an, bevor wir uns wieder ein Motorrad ausgeliehen und all die schönen Klöster (Hemis, Shey, Chemrey), die wir auf der Fahrt zum Pangong lake nur aus der Ferne gesehen hatten, besucht haben. An Abschiede gewöhnt man sich auch während einer Reise nicht, so waren wir wieder bedrückt, als uns Scott und Emma sowie Niko und Elisabeth verließen.
Eigentlich hatten wir als Nächstes den bekannten Markha Trek ins Visier genommen, doch sahen wir davon ab, da wir uns beide etwas erkältet hatten und eher schlecht als recht atmen konnten. Wir werden später in Nepal den nächsten Versuch wagen. Ladakh hielt auch so noch genug seiner traumhaften Motorradstrecken für uns bereit. Wir erklimmen mit unserer Enfield die höchste befahrbare Straße der Welt, fuhren durch das Indus Valley und besuchten weitere Klöster, wie die berühmte Lamayuru, Alchi und Thiksey Monestry. Besonders die Strecke von Leh durch das Indus Valley nach Chilling, ist der Traum eines jeden Bikers. Man fährt immer entlang des reißenden Indus Flusses und auf der anderen Seite der Fahrbahn ragen steile Felswände hoch über einem und werfen ihre Schatten, außerdem hat man die Straße praktisch für sich alleine. Die Strecke hatte uns so in Ihren Bann gezogen, dass wir diese unbedingt noch einmal erleben wollten. Im Guest House lernten wir unseren Freund Danilo (aus Italien) kennen und beschloßen die Indus Valley Tour noch mal zu dritt mit zwei Motorrädern zu machen.
Bei unserem Ausflug zum Thiksey Kloster, nahmen wir an einer Gebetszeremonie teil. Die Mönche beginnen mit dem Singen der Mantras dabei bereits um 6 Uhr Morgens, also hieß es zeitig aufstehen. Die Thiksey Monestry ist gleichzeitig eine Klosterschule, daher sahen wir viele Kinder bzw. junge Mönche, die sich vor Beginn des Unterrichts ebenfalls an der täglichen Zeremonie beteiligten.
Die Mönche gewähren jedem, der teilnehmen möchte, Zutritt und wir fanden es schön die Möglichkeit zu haben diese Jahrtausende alte buddhistisch-tibetische Kultur, die für die westliche Welt etwas Mystisches hat, hautnah zu erleben. Wir finden, das sich unsere Gottesdienste im Grunde gar nicht so sehr hiervon unterscheiden. Wieder scheinen wir so verschieden und doch gleichen wir uns.
Die Saison ging immer mehr ihrem Ende zu und es wurde spürbar kälter, sodass wir unsere Abreise aus Ladakh vorbereiteten. Da nur noch vereinzelt Busse fuhren und die Strecke nach Manali teilweise sogar schon vereist war, buchten wir einen Flug nach Delhi und von dort aus direkt den Zug weiter zu unserer nächsten Station in Rishikesh.
Zu guter letzt haben wir zusammen mit Danilo eine leckere Pasta genoßen und konnten anschließend gestärkt eine finale Sightseeing Tour durch Leh unternehmen. Wir besuchten dabei den Leh Palast sowie die Shanti Stupa. Indien hat uns nun schon so oft begeistert, doch Ladakh hebt sich noch mehr vom Rest des Landes ab und hinterlässt unvergessliche Eindrücke bei jedem, der es besucht. Wir werden diese Zeit niemals vergessen und dies nicht zuletzt auch dank unserer, typisch Ladakhi, warmherzigen und hilfsbereiten Gastfamilie.